Friedrich Strauß

Geboren:
25.06.1890, Binswangen
Gestorben:
Todestag und Todesort nicht bekannt

Wohnorte

Binswangen, Haus Nr. 171 (heute Hauptstraße 30)
Augsburg, Schrannenstraße 6
Augsburg, Friedberger Straße 147

Letzter freiwilliger Wohnort

Orte der Verfolgung

Deportation
am 2. April 1942
von Augsburg
über München-Milbertshofen
nach Piaski

Biografie

Seit 1912 gab es in Augsburg die Getreidegroßhandlung J.J. Strauß. Der Inhaber Salomon Strauß wohnte am Sitz der Firma in der Schrannenstraße. Salomon Strauß kam aus Binswangen (Haus Nr. 171, heute Hauptstraße 30). Er war seit 1885 verheiratet mit Betty, geb. Binswanger. Die drei Söhne Martin, Theodor und Friedrich kamen 1886, 1888 und 1891 in Binswangen zur Welt, die Tochter Dina 1900. Der älteste Sohn Martin, Student an der Universität München, fiel im September 1918 in Artois in Frankreich. Auf der Gedenktafel in der Binswanger Synagoge steht er als ein Kriegsopfer neben drei weiteren Kriegsteilnehmern mit dem Namen Strauß.

Der jüngste Sohn Friedrich lebte im Alter von 12 bis 19 Jahren (1903 bis 1911) im Haushalt einer Lehrerfamilie in Augsburg. Als Aufenthaltszweck wird angegeben: „besucht die hiesige städtische Hilfsschule“. Die wirtschaftlichen Verhältnisse der Familie waren offenbar gut, wie der Kauf des Anwesens Schrannenstraße 6 in Augsburg in unmittelbarer Nähe zur Bahnhofstraße zeigt, damals eine ausgesprochen gute Wohnlage. Salomon Strauß führte dort ab 1913 den Handel mit Landesprodukten weiter, den er schon in Binswangen betrieben hatte.

Das Haus in der Schrannenstraße 6 heute. (Foto: Alfred Hausmann)

Seit 1861, als auch für Juden die Freizügigkeit galt, waren viele Landjuden in die Städte gezogen. Während um 1864 412 Einwohner Binswangens (38,4%) jüdisch waren, sind es um 1910 nur noch 74 (7,7%).

1923 starb Salomon Strauß im Alter von 71 Jahren, und der Sohn Theodor übernahm das Geschäft, zunächst mit einem Onkel als Kompagnon. Das Haus Schrannenstr. 6 gehörte nun einer Erbengemeinschaft aus Witwe, Tochter und Sohn Theodor. Sohn Friedrich hatte ein Wohnrecht (ein Wohnzimmer), solange er ledig war, und bekam ein Vermächtnis. Als Erbe wurde er nicht genannt. Der Vater hatte 1918 im Testament geschrieben: „Meinem Sohn Friedrich vermache ich 40.000 Mark. Da er wegen seines geistigen Zustandes nicht in der Lage ist sein Vermögen zu verwalten, so soll ein Testamentsvollstrecker dessen Verwaltung übernehmen. Sollte der Zinsabwurf zu seiner Versorgung nicht hinreichend sein, so sollen meine Kinder Martin, Theodor, Dina das fehlende aufbringen.“ Man kann also bei Friedrich von einer leichten geistigen Behinderung ausgehen.

Theodor war offenbar weiter geschäftlich erfolgreich. Er heiratete 1915 und zog ins gutbürgerliche Thelottviertel in die Pranthochstraße 8, während die Firma in der Schrannenstraße blieb. Seine Frau Gisela, geb. Bauer, stammte ebenfalls aus Binswangen (Hausnummer 172). Am 5.12.1919 wurde Sohn Robert geboren. Vom 2.6.16 bis 27.11.18 leistete der Ehemann Militärdienst in Kempten. Am 11.3.1934 wurde die Ehe geschieden, die geschiedene Frau wanderte nach Brasilien aus und heiratete in Sao Paolo am 30.4.1934 erneut. Den Sohn Robert nahm sie mit. 1951 war sie zu Besuch in Augsburg und heiratete den Arzt Dr. Schiersner.

Die Drangsalierungen ab 1933 änderten auch für Theodor Strauß die wirtschaftliche Situation. Schon 1933 wurde das Geschäft geschlossen und im Sommer 1934 das Haus in der Schrannenstraße verkauft. Theodor zog ein Jahr später nach Hochzoll in die Friedberger Straße 147.

Friedberger Straße 147, 2013. (Foto: Michael Friedrichs)

Der jüngste Sohn Friedrich verlor mit dem Verkauf sein Wohnrecht im Elternhaus und zog 1936 zu seinem Bruder. Als Beruf ist jetzt „Ausgeher“ (früher Magazinarbeiter) vermerkt.

Am 4.11.1941 meldete sich Theodor nach Fürth ab. Dort verstarb er bereits am 7.11.1941 im Israelitischen Hospital. Offenbar war eine Behandlung im Städtischen Krankenhaus in Augsburg nicht mehr möglich. Er wurde auf dem Neuen Jüdischen Friedhof Fürth bestattet (Standesamt Fürth, Sterbeurkunde 936/1941). Als Todesursache ist eingetragen: Kreislaufstörungen, Lähmungen am ganzen Körper. Er hinterließ 2.479 RM, die er in seinem Testament aus dem Jahr 1932 als Alleinerben seinem Sohn Robert vermachte. Dem war wegen seiner Auswanderung mittlerweile die deutsche Staatsangehörigkeit aberkannt worden und er konnte deshalb nicht erben. Eigentlich wären nun die Geschwister Friedrich und Dina erbberechtigt gewesen. Dina war 1937 nach München umgezogen; im November 1941 wurde sie mit ihren Kindern nach Kaunas deportiert und ermordet (siehe Biografie Dina Marx). Friedrich Strauß erklärte vor dem Nachlassgericht: „Anträge und Erklärungen mache ich nicht.“ Das Erbe verfiel durch „Feststellung“ des Reichssicherheitshauptamtes dem Reich.

Friedrich blieb in der Hochzoller Wohnung. Am 2. April 1942 wurde er zusammen mit 444 schwäbischen Juden über das Judenlager München-Milbertshofen nach Piaski deportiert. Münchner Juden hatten das Barackenlager in Zwangsarbeit bauen müssen. Unter den mit diesem Zug Deportierten waren auch Maria Leiter aus Hochzoll und ihre Brüder. Niemand kehrte aus Piaski zurück ins Leben.

Danke für hilfreiche Auskunft: Herr Dr. Mordstein, Stadtarchiv Wertingen.
Alfred Hausmann
2018

Quellen- und Literaturverzeichnis
Unveröffentlichte Quellen:

Staatsarchiv Augsburg (StAA)

  • Wiedergutmachungsbehörde, JR-Akten 290 Rückerstattungsverfahren Strauß Theodor

  • Finanzamt Augsburg, Steuerakten rassisch Verfolgter 4126, hier Notariatsurkunde

  • Amtsgericht Augsburg, Nachlass Salomon Strauß 1923/ 127; Nachlass Theodor Strauß 1941/ 975

Stadtarchiv (StadtAA)
Familienbogen (FB):

  • FB Salomon Strauß
  • FB Theodor Strauß

Hausbogen (HB):

  • HB Pranthochstraße 8
  • HB Schrannenstraße 6

Stadtarchiv Wertingen (StadtA Wertingen)

  • Standesamtsbuch Binswangen
Veröffentlichte Quellen:

Andreas Heusler/Elisabeth Angermair, ‚Verzogen - unbekannt wohin‘. Die erste Deportation von Münchner Juden im November 1941, München 2000.

Ludwig Reissler, Geschichte und Schicksal der Juden in Binswangen, in: Der Landkreis Dillingen a.d. Donau in Geschichte und Gegenwart, Dillingen 2005.

Maximilian Strnad, Zwischenstation "Judensiedlung": Verfolgung und Deportation der jüdischen Münchner 1941-1945 (Studien zur Jüdischen Geschichte und Kultur in Bayern, Band 4), München 2011.

Internet: